Eine andere Erneuerung

 

1. Erneuerung ist kein Bruch

 

Mein malerisches Werk ist zu verstehen als eine Erneuerung, die von der Kontinuität der europäischen und universalen Kultur ausgeht; sie steht folglich in einem klaren Kontrast zu jenem “pubertären Fortschrittswahn” unserer jünsten Geschichte, der unter dem falschen Mythos des unendlichen und unumkehrbaren Fortschritts, der da behauptet, dass die jüngsten Entwicklungen das Vorhergehende immer verbessern ―womit jeder Wandel und jede Neuheit rechtfertigt werden― die Diskontinuität und den Bruch nich nur in der Kunst sucht, sondern auch in der Religion, der Moral und den Sitten. Seine zerstörerischste Folgerung ist die Ablehnung der zeitlosen, der ewigen Werte mit der törichten Begründung, sie seien “nicht mehr zeitgemäß”.

In den Texten der Webpage  www.jrtrigo.es  werden diese für unser Zeitalter entscheidenden Fragen ausführlicher, dabei aber auch auf verständliche, allgemein zugängliche Weise verhandelt.

Johann Sebastian Bach hat gezeigt, dass es möglich ist, Kunst ―große Kunst― zu machen, und dabei die Erscheinungsformen der Musik kaum zu verändern. Seine Musik, die in mancher Hinsicht überaus traditionell ist ―sie wirkt die künstlerische Zusammenfassung mehrerer Jahrhunderte europäischer Kultur― erscheint im 21 Jahrhundert auf eine verblüffende Weise modern. Sie ist das genaue Gegenteil dieser Gier nach dem scheinbar Neuartigen, wie sie dem 20. Jahrhundert und der heutgen Zeit eigen war und ist und die den Bruch mit den kulturellen Grundlagen― mit jener “Euphorie” des Blattes, das sich vom Baum löst und seinen eigenen “Flug” beginnt: Endlich eigenständig!

Aus Erfahrung wissen wir, dass der wirkliche Fortschritt die tägliche Hinwendung zu Elementenerfordertwie Zusammenschau, ein IneinanderflieĂźen von Impulsen und Anstrengungen, alles andere als Negation und ZurĂĽckweisung. Letztere haben in der Regel ―wie das vom Zweig “befreite” Blatt― eine beschränkte Haltbarkeit. Und so können wir derzeit verfolgen, wie schnell einige auf StilbrĂĽche und Negation fixierte Karrieren, die sich ausschlieĂźlich auf eine scheinbare Neuartigkeit in der Kunst richteten, zu Ende gingen: In kurzer Zeit sind sie dorthin gelangt, wo die Grenzen zur Nicht-Kunst gezogen sind: schreiende Extravaganzen, nicht-kĂĽnstlerische Provokationen, “amateurhafte” Arbeiten von Anfängern ohne Ausbildung, die Wertschätzung von mehr oder weniger dekorativen StĂĽcken als Ausdruck groĂźer Kunst, der Nihilismus in Werken, die stärker ablehnen als dass sie bekräftigen wĂĽrden…

Verweilen wir bei unserem botanischen Bild, so ist das Wachstum eines Baumes proportional zur Tiefe seiner Wurzeln… und wir verstehen die Tiefe nicht nur als das Weiterleben dieses wundervollen kulturellen Gutes, das in Jahrhunderten erarbeitet wurde, sondern als ein Eindringen in das Mysterium einer unĂĽberschaubaren Wirklichkeit, die dem Menschen in den Formen des Wahren, des Guten und des Schönen begegnet. Es sind die Erforschungen dieser natĂĽrlichen Ordnung, die dem Universum seit unvordenklicher Zeit eingeschrieben ist, die jegliche kulturelle Ausdrucksform voranbringen, sei sie im wissenschaftlichen, technologischen, philosophischen oder kĂĽnstlerischen Gebiet angesiedelt.

 

2. Scheinbare und tiefgrĂĽndige Neuerung

 

Die Geschichte erteilt uns Lehren, die wir annehmen sollten. Die Musik von Johann Sebastian Bach (der, wie ich anmerkte, in vielen Fällen eine Veränderung der musikalischen Ausdrucksformen verweigerte) wird womöglich von den extremen Verfechtern des “Neuen” (jenen, die ihre Wahrnehmung des Neuen auf den bloßen Anschein reduzieren) nicht als neuartig anerkannt; diesem Kriterium folgend, wäre Bach entsprechend kein Erneuerer.

Ungeachtet dessen habe ich im Folgenden einige Zitate zusammengestellt, die auf http://www.muscaria.com/bach.htm nachzulesen sind, urteilen Sie selbst.

In seiner Zeit war Bach ein anerkannter großartiger Organist, dies nicht nur wegen seiner Fertigkeiten an den Tasten, sondern auch wegen der Virtuosität beim Improvisieren; als Komponist jedoch hat er wohl einen solchen Ruhm nicht erreicht, seine Arbeiten gerieten kurz nach seinem Tod (im Jahr 1750) in Vergessenheit.

Es ist angebracht, darauf hinzuweisen, dass in jener Epoche ein Wandel der musikalischen Tendenzen stattgefunden hat: Von einer Kompositionsform, die auf dem Kontrapunkt oder, wenn man so will, auf einer vokalen oder instrumentalen Polyphonie basierte (deren größter Vertreter J. S. Bach mit seiner Musik ist), hin zu einer von Akkorden begleiteten Melodie (die Jahrzehnte später beispielsweise die großen Orchesterwerke der sinfonischen Musik hervorbringen sollte).

Es war der zweitälteste Sohn von J. S. Bach, Carl Philipp Emanuel, der die Geduld, das Verständnis und die Hingabe aufbrachte, eine große Zahl der Kompositionem seines Vaters abzuschreiben, zu verlegen und somit vor dem Vergessen zu bewahren, die in jener Zeit aus dem Repertoire entfernt wurden, weil sie als veraltet und wening kreativ angesehen wurden.

Einer solchen Meinung könnte man die Wahrnehmung Mozarts gegenüberstellen, der während eines Aufenthalts in Leipzig eine der Bachschen Motetten hörte und auf Knien die Partituren studierte, die man vor ihm ausgebreitet hatte. Er geriet in Begeisterung und richtete sich nicht eher auf, bis er mit eigenen Augen noch die letzte Zeile der Töne dieser musikalischen Komposition betrachtet hatte und schließlich ausrief: “Endlich entdecke ich etwas Neues und Interessantes! Das ist doch einmal etwas, woraus sich was lernen lässt!”

“Als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unterhielte, wie sich’s etwa in Gottes Busen, kurz vor der Weltschöpfung, möchte zugetragen haben, so bewegte sich’s auch in meinem Innern.” (Johann Wolfgang Goethe über Bach)

“Mozart sagt uns, was es heißt, ein Mensch zu sein, Beethoven sagt uns, wie es ist, Beethoven zu sein, und Bach erklärt uns, was es heißt, das Universum zu sein.” (Douglas Adams)

“In dieser Woche habe ich dreimal die Matthäus-Passion des göttlichen Bach gehört, jedes Mat mit demselben Gefühl der unermesslichen Bewunderung Wer das Christentum völlig verlernt hat, der hört e shier wirklich wie ein Evangelium, es ist dies die Musik der Verneinung des Willens ohne die Erinnerung an die Askesis.” (Friedrich Nietzsche)

“Bach ist der Vater, wir sind die Buben. Wer von uns was Rechtes kann, hat’s von ihm gelernt.” (Wolfgang Amadeus Mozart)

“Bach sollte nicht Bach, sondern Meer heißen.” (Ludwing van Beethoven)

“Er ist der Urvater der Harmonie.” (Ludwing van Beethoven)

“Wir sind alle Stümper gegen ihn.” (Robert Schumann)

“Spiele fleißig Fugen gutter Meister. Bachs “Wohltemperiertes Klavier” sei dein täglich Brod.” (Robert Schumann)

“Studiert Bach, dort findet ihr alles!” (Johannes Brahms)

“Die Chaconne ist mir eines der wunderbarsten, unbegreiflichsten Musikstücke. Auf ein System, für ein kleines Instrument schreibt der Mann eine ganze Welt von tiefsten Gedanken und gewaltigsten Empfindungen. Wollte ich mir vorstellen, ich hätte das Stück machen, emphangen können, ich weiß sicher, die übergroße Aufregung und Erschütterung hätte[n] mich verrückt gemacht.” (Johannes Brahms in einem Brief an Clara Schumann)

“Das erstaunlichste musikalische Wunder aller Zeiten.” (Richard Wagner)

“O diese glücklichen Kinder des Nordens, die mit Bach erzogen wurden, wie ich sie beneide!” (Giuseppe Verdi)

“Schauen wir auf Bach, den lieben Gott der Musik, an den die Komponisten ein Gebet richten sollten, bevor sie sich an die Arbeit setzen, auf dass er sie vor Mittelmäßigkeit bewahre.” (Claude Debussy)

“Bach ist Anfang und Ende aller Musik.” (Max Reger)

“Was Newton als Weltweiser, war Bach als Musiker.” (Christian Friedrich Daniel Schubart, 18. Jh.)

“Wenn Bach nicht im Himmel ist, dann möchte ich da gar nicht hin.” (Sir John Eliot Gardiner)

“Er entblößt die menschliche Natur, um ihre göttlichen Attribute zu zeigen Den alltäglichen Dingen verleiht er einen spirituellen Reiz, dem was flüchtig ist, verleiht er die Flügel der Ewigkeit. Die göttlichen Dinge macht er menschich und die menschlichen göttlich ― so ist eben Bach, der größte und reinste Moment in der Musik aller Zeiten.” (Pablo Casals)

 

3. Die Ăśberraschung ĂĽber das Schockierende ist nicht gleichzusetzen mit dem Verstehen eines Kunstwerks

 

In den Texten auf der Seite www.jrtrigo.es bin ich häufig auf Johann Sebastian Bach als Modell für einen Künstler eingegangen, der uns an dem aktuellen historischen Scheideweg, an dem wir uns befinden, eine Orientierung bieten kann. So kann man im Text Meine Malerei lesen: „Als J. S. Bach Die Kunst der Fuge schrieb, wollte er nicht mit einer schockierenden, neuartigen, ,modernen῾ Erscheinung überraschen, er verwendete in dieser Arbeit sogar überaus verbreitet verwendete musikalische Formen, archaische Kontrapunkte etc., jedoch ist das Ergebnis eine tiefgehende Entdeckung (in diesen zeitlosen Funden wohnt das „Neue“ mehr als in einer oberflächlichen ,Neuheit῾), die wunderbar ist (was das wahrhaft Erstaunliche darstellt).“ Wer erstmals oder nur oberflächlich auf eines seiner Werke trifft, könnte die Musik von Johann Sebastian Bach für eine Kunst halten, die einfach nur in einer bestimmten Epoche verankert ist, die begrenzt ist auf die Endphase des Barock, und sonst nichts. Es ist die breite Kenntnis seiner Werke, die uns seine tiefe Dimension eröffnet, seine zeitübergreifende Transzendenz, die bis in unsere Tage reicht.

Analog dazu kann ich festhalten, dass meine Bilder meinem persönlichen Ansinnen nach nicht danach streben, Skandale heraufzubeschwören, Brüche zu inszenieren oder ikonoklastisch zu wirken; man sollte sie in ihrer Gesamtheit betrachten, um erkennen zu können, welche tiefer gründende Neuheit sie beisteuern; nur so wird man ihre Eigenheit, ihre Ausnahmestellung in den Zeiten, in denen wir leben, einschätzen können.

Manchmal kommt es vor, dass es angesichts bestimmter Kunstwerke beim Betrachter, beim Leser, beim Hörer liegt, wenn er mit solchen Werken nicht vertraut ist, einen Prozess der Anpassung zu durchlaufen, bis er Zugang zur genussvollen Kontemplation ihrer Geheimnisse gelangt.

 

4. Oberflächenwahrnehmung reicht nicht zum Verständnis der Kunst

 

Nach einer oberflächlichen Betrachtung könnte man den Roman Don Quijote von La Mancha von Miguel de Cervantes für einen unter vielen Ritterromanen halten Wenn diese als ein Genre der Abenteuer– und Unterhaltungsliteratur begriffen werden, ist der Don Quijote ―nach allgemeiner Auffassung― “eine Fortsetzung jener leichten Linie, die vom burlesken Ton der Erzählun getragen wird…” Jedoch: Welch eine Veränderung in der Bewertung dieses Werkes stellt sich ein, wenn man es in seinem Tiefgang erfasst! Die Anmutung von Leichtigkeit verwarndelt sich in die einer vielgestaltigen Weisheit; die humorvolle Aura kommt nicht von einem harten und erbarmungslosen Spott her, sie ist vielmehr eine ungemein heitere Lektion, weit entfernt von einer langweiligen und bleischweren Ernsthaftigkeit; die vergnügliche Lektüre genießt man auf zwei Ebenen: der unmittelbren oder anekdotischen und jener anspruchsvolleren, die vom Leser Reflexion, Verstand, Urteilskraft verlangt. Die fantastischen und ausgestellten Taten anderer Helden, die als Handlungen eitler und selbstgerechter Supermänner begriffen werden können, werden hier mit Don Quijote zu einem menschlicheren Helden, mit unleugbaren Beschränkungen und einer geradezu lächerlichen Ungeschicklichkeit, der aber Größe gewinnt in seinen Idealen und seiner Liebe zur Tugendhaftigkeit, der immer und selbstvergessen bereit ist, den edlen Prinzipien eines Ritters zu entsprechen und der kein anderes Ziel hat, als das Gute allenthalben zu verbreiten.

Wenn man es auf diese Weise versteht, ist es das, was die Ausstrahlung des Wunderbaren beim Don Quijote ausmacht, einem der größten Meisterwerke in der Geschichte; er ist die Erfindung des “modernen Romans” und des “polyphonen Romans” und hatte einen enormen Einfluss auf die nachfolgende Literatur in ganz Europa.

Eine Bewertung künstlerischer Arbeiten, die sich auf den ersten Eindruck von Seiten eines Lesers oder Betrachters beschränkt, die in ihrer Wahrnehmung nur den scheinbaren Wandel im Vergleich mit anderen Werken des jeweiligen Genres sieht ―ganz so wie jene, die sich in diesen Zeiten mitreißen lassen von der Gier nach Neuartigem― geht einher mit der Unfähigkeit, den Don Quijote und die wahrhaftige Kunst im Allgemeinen auf angenessene Weise zu verstehen. Eine Schönheit des Durchschnittlichen ist in verschiedenen Schichten zu finden; wer sich zufrieden gibt mit wohligen, dabei oberflächlichen Eindrücken, dem entgeht die Substanz der Meisterwerke der Kunst und er wird in ihnen ihre beständige Neuartigkeit, die dem Lauf der Jahrhunderte widersteht, nicht erkennen.

 

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